Gefällt werden Bäume. Und Entscheidungen. Und mit dem Like-Button zeigen NutzerInnen sozialer Netzwerke an, wenn ihnen etwas gefällt. Gefällt stammt ab von gefallen oder von fällen. Beides kann mit Niederlage assoziiert werden: der gefällte Baum ist tot, die Entscheidung ist gefallen, aber möglicherweise nicht so, wie erwartet. Und wenn der digitale Icon-Daumen abwärts zeigt, bin ich mit meinem Post gescheitert.
Die Niederlage ist kontextabhängig, das Scheitern stets in Relation zum anvisierten Ziel. Das macht die negative Erfahrung situativ nicht einfacher, längerfristig aber vielleicht erträglicher, und nicht selten ertönen auch Stimmen, die das Scheitern als schiere Notwendigkeit zum schlussendlichen Erfolg sehen. Vorerst aber geht in der aktuellen Ausstellung einiges gründlich dysfunktionale Wege. Über drei Stockwerke wächst zum Beispiel ein Schaumstoffturm. Ursprünglich hölzern geplant - konkret im Holz der gefällten Thuja im Garten, die den Klimatod starb – und der gleichsam eine häusliche Auferstehung ermöglicht werden sollte. Allein, das Vorhaben scheiterte. An statischen und finanziellen Hindernissen. So dass nunmehr ein entfernt baumähnliches Gewächs synthetisch, rosa und in Form eines Jenga-Turms durch die Decken zielt. Mithin ein überzeichnetes Abbild des klassischen Gesellschaftsspiels, dessen Dreh- und Angelpunkt das Scheitern an sich ist. Dann nämlich, wenn die Holzscheite dermassen aus dem Gefüge gezogen werden, dass der Turm zusammenbricht. Der gefällte Baum wird derart zum rosaroten Kunststoffspielriesen, der als solcher und hier nicht zu Fall kommt, mithin seinerseits im Grunde scheitert. Ein anderes Objekt, dessen Bestandteile ihrer ursprünglichen Funktion radikal enthoben wurden, ist das Kompositum von hydraulisch gepressten Heizkörpern, die, immerhin durch Metallrohre fest verbunden, in ihrer Versehrtheit getragen wirken. Die massive Deformation des an sich so robusten Materials berührt Betrachtende fast physisch, auch wenn definitiv nicht thermisch, denn diese Heizkörper werden nie mehr wärmen. Scheitern als Kontrollverlust thematisiert die Arbeit Auffällig im Keller. Auf sieben ausgemusterten Monitoren, die bislang Gefängnisinsassen als Spielkonsolen dienten, sind Unterwasseraufnahmen einer GoPro-Kamera zu sehen, die lediglich an einer Schnur durchs Wasser geführt oder dem freien Fall ausgesetzt wurde. Rechtwinklig angeordnet stehen die Bildschirme gleichwohl unkoordiniert wirkend auf kaltem Stein und präsentieren scheinbar randomisiertes Unterwasserpanorama in Variationen. Das Treppenhaus wiederum wird von einer unsichtbaren Mechanik bespielt, einem Platzregen, der nicht nur auditiv angreift, sondern zuweilen Ganzkörper invasiv wirkt. Im Garten dann ein Riesenmobile zwischen zwei Eiben gehängt. Keramikfratzen und -masken, Zerrbilder möglicher Frusterfahrung, die mit geöffneten Mündern und verzerrter Mimik gleichwohl fast poetisch im Wind baumeln. Ist scheitern gut oder böse?
Gefällt berichtet von gefallenen Bäumen und begrabenen Plänen und davon, wie wir mit dem Scheitern umgehen, ob uns das gefällt oder nicht.
Veranstaltungen
«alles Scheitern später» / Vier tänzerische Skizzen
13. und 14. April, 17h-18h, Villa Renata
Tanz: Moc Claussen, Szabina Gäumann, Karin Bernhard, Sandra Rau, Carola Zierbeck Choreografische Leitung: Simon Wenger
Physisch scheitern, wie geht das? Fünf Körper versuchen sich am Scheitern. Mit nicht weniger und nicht mehr als dem, was ihnen im Raum und in der Zeit zur Verfügung steht. Entstanden sind vier tänzerische Skizzen.
Schöner Scheitern: Reden über den Miss/Erfolg
Freitag 3. Mai / 18h bis 19h30
mit Sally de Kunst, Ueli Mäder, Sandra Rau, Daria Wild, Isabel Zürcher u.a.
Unterstützt durch: Christoph Merian Stiftung, Kultur Basel Stadt
Teilnehmende KünstlerInnen