Partizipation in der Kunst
Die Verhandlung, 29. Januar 2017
Das Thema war Partizipation. Ich hatte mich für den Master Curating an der ZHdK durch Claire Bishops „Artificial Hells“ gelesen und war durchaus inspiriert. Eine Lektüre, die ich nur empfehlen kann. Die britische Kunsthistorikerin hat mit diesem Buch 2012 den ersten umfassenden Überblick über partizipatorische Kunstprojekte vom Anfang des 20. Jahrhunderts an geliefert. Es ist eine wirklich bereichernde Erfahrung, zu lernen, wie früh und wie unterschiedlich in den jeweiligen zeitlichen Perioden und politischen Systemen Partizipation in der Kunst gelebt und erfahren wurde. Ausserdem hat sich Claire Bishop mit ihrem Gegenspieler, dem amerikanischen Kunsthistoriker Grant Kester über soziale partizipatorische Kunst arg gezofft, und das hat mich auch deswegen interessiert, weil ich fand, dass ansonsten KunstkritikerInnen eher zahme wenn überhaupt noch Debatten führen. Diese hier zwischen Bishop und Kent war zu dem eine substantielle: es sind zwei verschiedene Blicke auf Sinn und Zweck von partizipatorischer Kunst und darauf, ob diese Kunst Sinn und Zweck haben soll oder besser nicht.
Etwas ausführlicher, für wen es interessiert: Kester und Bishop sehen beide im partizipativen Ansatz die Möglichkeit des Widerstandes gegen den Neoliberalismus und attestieren dieser Kunstgattung eine potentiell grosse politische Hebelwirkung. Die Kontroverse dreht sich um die Art und Weise, wie partizipative Ansätze umgesetzt und wie sie definiert werden. Bishop unterstellt Kester salopp gesagt eine reduktive Kritik der Partizipation, die hauptsächlich auf die gute Absicht fokussiere und sie beanstandet, dass damit oft Ausbeutung von freiwilligen Mitwirkenden in Kauf genommen werde. Kester hingegen kritisiert Bishops Anspruch an den Schockeffekt und den verstörenden Aspekt, auf den sie für ein Funktionieren des partizipativen Kunstwerkes setzt. Sehr verallgemeinernd könnte man zusammenfassen, dass sich Bishop eher als dezidierte Verteidigerin des Ästhetischen in der Partizipatorischen Kunst gibt und ihre Befürchtung begründet, warum diese oft Gefahr laufe, zum gefälligen Feigenblatt einer konsumorientierten Gesellschaft und derer unengagierter Mitglieder zu verkommen: risikoscheue Kunst- und Förderungsinstitutionen und selbstinszenierungsfreudige Künstleregos, die nichtsahnende Teilnehmende des sogenannten kollektiven Kunstwerkes ausbeuten. Wohingegen Kester die Attitüde, dass nur das bemüht Verstörende den künstlerischen Qualitätsanspruch garantiere, heftig kritisiert und sich dagegen wehrt, dass aktivistische Kunst einfach nur als politisch korrekt abgekanzelt würde.
Ich schrieb meine These. Dann stand da noch der praktische Teil an. Es galt, eine Ausstellung zu konzipieren. Ich wollte etwas zur Förderung in der bildenden Kunst machen. Partizipatorische Kunst und Förderung sind ein heisses Paar. Obzwar nicht festgeschrieben gibt es doch einige Merkmale, die die Gattung Partizipatorische Kunst erfüllt sehen möchte. Ein wesentliches davon: den Prozess eines partizipatorischen Kunstwerks kann man nicht wirklich bis zum Schluss definieren. Denn Partizipation, Teilhabe mithin, bedeutet auch immer eine gewisse Unsteuerbarkeit. Das aber mögen Förderinstitutionen – man kann’s ihnen nicht verdenken – gar nicht. Man will ja schliesslich wissen, was dabei herauskommt, bei dem, was man unterstützt.
Wie findet man heraus, was man unterstützen will oder soll oder darf? Ich plante, eine performative Inszenierung zu zeigen, an der über den Wert von Kunst bzw. den Wert von Kunstförderung diskutiert werden sollte. Es sollten echte ExpertInnen teilnehmen, KünstlerInnen einerseits und Stiftungsmitglieder andererseits, und auch das Publikum sollte eine Stimmer erhalten. Ein partizipatorisches Setting und partizipatorische Kunstwerke. Im Theater sassen schliesslich 50 Zuschauende und verfolgten live eine ExpertInnendiskussion über die Vergabe von fiktiven Fördergeldern an drei reale Kunstprojekte, die von ihren Autorinnen vorgestellt wurden. Zu gewinnen gab es Schokoladegoldbarren sowie einen Auftritt in der Villa Renata. Die Expertinnen am Richterpult diskutierten engagiert, die KünstlerInnen durften ihre Projeket – anders als in Wirklichkeit – live bewerben, und der Professor von der HKB gab sichtlich identifiziert den eloquenten Moderator. Klar wurde bald, dass bei der Förderung mit verschiedenen Ellen gemessen wird (Bspw.: Eine Partei fand es wichtig, auf die kontinuierliche Entwicklung des Portfolios der Künstlerin zu achten, während die andere die dezidierte Meinung vertrat, nur das aktuell präsentierte Werk verdiene Aufmerksamkeit), und dass Subjektivität nicht ausgeschlossen werden kann. Soweit nichts Neues.
Aufschlussreicher waren da die Recherchearbeiten gewesen: es war doch erstaunlich , wieviele Angefragte – Gesuchsstellende sowie Kommissionsmitglieder - nur off the record über ihre Erfahrungen mit und persönlichen Meinungen zum Thema Förderung in der bildenden Kunst sprechen wollten.
Heute, nur vier Jahre später, wäre die Diskussion über Ziele der Förderung in der Kunst wohl sowieso eine andere. Angefangen bei der Begrifflichkeit: Es heisst nicht mehr Kunst, sondern Kreativitätsökonomie. 500’000 Player tummeln sich aktuell schweizweit darin, und zusammen erwirtschaften sie 7% des BIP. Gegenüber den Bereichen Design, Marketing, Architektur und IT-Services machen MusikerInnen, SchauspielerInnen und bildende KünstlerInnen lediglich einen kleinen Teil davon aus. Und die Förderinstitutionen haben sicherlich objektivere Kriterien als zuvor. Unter ökonomischen Gesichtspunkten jedenfalls. (Quelle NZZ am Sonntag, 10.5.2020/ Zurich Centte for Creative Economies /ZCCE)